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Prävention

Wir vom Projekt „Männer in Kinderläden“ haben erlebt, wie wenige Einrichtungen sich bisher mit den Themen Schutzkonzept, Generalverdacht und sexualpädagogisches Konzept beschäftigt haben und finden, dass es gerade in diesem Bereich noch einen großen Entwicklungsbedarf gibt. Ein Schutzkonzept, das Strategien zur Prävention beinhaltet und den Umgang mit Grenzüberschreitungen regelt, macht Kinder sicherer vor Grenzverletzungen, schützt aber auch Erzieher_innen vor ungerechtfertigten Verdächtigungen, insbesondere männliche Erzieher vor dem Generalverdacht.
Viele Kita-Teams gehen sind geübter darin, Vermeidungsstrategien für Grenzsituationen zu finden, als gemeinsam einen offenen Austausch im Team und mit den Eltern zu suchen, eigene Ängste zu thematisieren und klare Absprachen über Grenzen zu treffen.
Was muss getan werden, damit Kitas zu sicheren Orten werden und sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch wirksam verhindert werden? Welche Maßnahmen sind sinnvoll und helfen den Kitas auf einem Weg zu einem funktionierenden Schutzkonzept? Dafür brauch jede Einrichtung erst mal eine Atmosphäre, in der alle Beteiligten das Gefühl haben, über Probleme und Unsicherheiten sprechen zu können. Zudem bedarf es standardisierter Verfahren für Eltern und Kinder, bei wem sie ihre Beschwerden äußern können. Zudem ist eine Kritikkultur im Team wichtig, bei der persönliche Beziehungen oder die Loyalität den Kolleg_innen gegenüber niemanden davon abhalten, grenzüberschreitendes Handeln offen anzusprechen. Wen Täter merken, dass sich eine Einrichtung mit dem Thema Missbrauch und Prävention beschäftigt und offen darüber geredet wird, wie Kinder vor Grenzverletzungen geschützt werden können, werden sie sich in dieser Einrichtung nicht „einnisten“ können.
Einige mögliche Maßnahmen zur Prävention wurden in den Interviews angesprochen, die wir hier anhand von Zitaten beschreiben können. Andere wollen wir aus unserer Erfahrung ergänzen und allen Teams zur Diskussion empfehlen.

Selbstbewusstsein der Kinder stärken

Das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken und ihnen ihre Rechte bewusst zu machen, sind die vielleicht wichtigsten Aspekte, um sinnvoll Übergriffen und Machtmissbrauch vorzubeugen. Selbstbewusste Kinder werden sich wehren, wenn etwas von ihnen verlangt wird, was sie nicht wollen. Zudem ist die Erfahrung von Beratungsstellen, dass sich Täter vor allem die „schwachen“ und „bedürftigen“ Kinder in der Gruppe aussuchen, um mit ihnen in eine enge Beziehung zu treten. Bei selbstbewussten Kindern ist die Gefahr zu groß aufzufliegen und der Täter wird seine Strategien, um die Kinder von sich abhängig zu machen, nicht anwenden können. Deswegen sollten Kinder ihre Rechte in der Einrichtung kennen und einfordern können. Für Fälle, in denen diese Rechte verletzt werden, muss es Verfahren in der Einrichtung geben, die eine Beschwerde ermöglichen.
„Ein guter Ansatz ist, glaube ich, dem präventiv vorzukommen. Dass man eigentlich sein Kind so erziehen muss, dass es nicht in so Fallen gerät. Weil ich glaube schon, dass man da viel tun kann, indem man da auch diese Kultur, was Du meintest, dieses Beschwerde-Management, dass man so was in der Familie einfach pflegt. Dass die Kinder die Chance haben, zu sagen, was ihnen nicht passt. Und dem auch stattgegeben wird und auch Raum dafür da ist. Wenn sie so was gleich lernen von Anfang an, sind sie, glaube ich, nicht so gefährdet. Weil oft ist ja dieses Stillschweigen darüber das große Problem. Weil das dann jahrelang unerkannt bleibt, weil die Kinder sich nicht trauen, was zu sagen. Wenn man sie aber stärkt in ihrer Persönlichkeit und ihnen schon zuhause Freiräume gibt und da auch erklärt: „Tritt ein für dein Recht. Und wenn Du das Küsschen von Oma nicht haben willst, ist das völlig ok.“ Und man muss sich dann auch dran halten.“ (Vater)

Transparenz gegenüber den Eltern

Ängste bei den Eltern entstehen in Situationen, in denen sie die Betreuungspersonen nicht kennen oder vertrauen (siehe Ursachen) oder in Situationen, in denen ihnen nicht transparent gemacht wird, was in der Kita passiert. Wer ist eigentlich der/die neue Praktikant/in? Wann kommt der/die Musiklehrer/in? Welche Aktivitäten finden wann statt und mit wem? Gibt es problematische Situationen, die mich als Erzieher_in verunsichern? Über solche Situationen im Kita-Alltag mit den Eltern ins Gespräch zu kommen, schafft Transparenz und baut Ängste ab.

„Und hier in dieser Kita ist auf jeden Fall eine relativ offene Atmosphäre. Also ich habe volles Vertrauen, jedes Problem ansprechen zu können. Und insofern habe ich alle Bedenken, die ich je hatte, relativ schnell immer einfach aus dem Weg räumen können für mich.“ (Vater)

„Einmal haben wir aus Spaß gesagt, wenn der Raum nicht aufgeräumt wird, bekommen alle den Popo voll. Als wir dann wieder reinkamen, wollten sie alle den Popo voll bekommen und seither spielen sie gern damit und sagen, dass sie heute nicht aufräumen wollen, damit sie dann im Spaß den Popo voll bekommen. Die Jüngeren beäugen das noch vorsichtig, merken aber auch, dass es nicht ernst ist und sind fasziniert davon. Mir sind die Grenzen dabei sehr klar und ich achte darauf, dass ich mit Kindern und Eltern im Gespräch darüber bin.“ (Erzieher)

Externe Hilfe hinzuziehen

Bei den Themen Schutzkonzept und Sexualpädagogik ist es sinnvoll, auf das Fachwissen und die Erfahrung von externen Hilfestellen zurückzugreifen. Zudem sollten regelmäßig Fortbildungen besucht werden und eine Fachkraft in der Kita benannt werden, die sich für dieses Thema verantwortlich fühlt.

„Wir waren auch bei Strohhalm, haben einen Elternabend zum Thema Sexualität und Prävention im Kinderladen gemacht und tauschen uns im Team darüber aus. Wir hatten auch eine Situation, wo es ein Machtgefälle und Abhängigkeitsverhältnis gab zwischen einer Gruppe großer Jungs und einem jüngeren Mädchen, die den Jungen gefallen wollte, in der wir eingegriffen haben. Wir haben uns dann Hilfe bei Strohhalm geholt und die Eltern einbezogen, die damit Schwierigkeiten hatten und nicht darüber reden wollten. Der ‚Anführer‘ der Jungs ging dann weg aus dem Laden, aber wir waren in der Zeit vorher auch viel sicherer geworden im Umgang mit der Situation.“ (Erzieher)

Enttabuisierung/ Generalverdacht im Team thematisi

Wird das Thema Generalverdacht in der Einrichtung tabuisiert, wird in der Folge der Erzieher mit dem Thema alleine gelassen. Als Reaktion darauf, dass sie sich nicht trauen, über dieses Thema zu reden oder sie merken, dass die Kolleg_innen nicht darüber reden wollen, fangen viele Erzieher an, sich durch Vermeidungsstrategien selbst zu schützen. Ein Austausch im Team würde dem Erzieher helfen, nicht mehr alleine mit der Situation klar kommen zu müssen und dem Team helfen Regeln und Grenzen für das Handeln zu entwickeln.

„Nein, aber unser Erzieher hat das auch sehr offensiv angesprochen und dann war auch jemand von Strohhalm da, der mit den Eltern gesprochen hat. Also dass Männer sich da irgendwie immer schlecht fühlen, weil sie eben zu dieser Gattung gehören. Und dass man als Mann da immer Angst hat, dass man irgendwie verdächtigt wird. Denn während das bei Frauen ja oft gewünscht wird, dass sie viel kuscheln mit den Kindern, findet man das bei einem Mann dann vielleicht befremdlich.“ (Erzieher)

Nähe/Distanz thematisieren

Ein sehr wichtiges Thema, über das man im Kita-Team und mit den Eltern gemeinsam ins Gespräch kommen sollte, sind Nähe und Distanz im Umgang mit den Kindern. Wie viel körperliche Nähe darf ich zum Kind haben? Wo muss ich Grenzen setzen, auch wenn die Kinder Körperlichkeit einfordern? Ist ein Kuss auf den Kopf oder auf die Wange ok? Was ist beim Kuscheln/Toben/Raufen mit den Kindern ok und wo sind hier die Grenzen? Wo beginnt mein Verhalten übergriffig zu werden und an welchen Stellen nutze ich meine Machtposition gegenüber dem Kind aus? Diese Sicherheit, dass mein Verhalten sich gerade innerhalb der mit den Kolleg_innen und Eltern ausgehandelten Regeln befindet, ist auf der einen Seite ein wirksamer Schutz vor Übergriffen und nimmt auf der anderen Männern die Verunsicherung im Handeln in Grenzsituationen.

„Manchmal, die Kinder kommen, drücken mir einen Kuss auf die Wange. Meine Kollegin, die drückt den auch mal einen (Kuss auf die Wange), ist gar kein Ding. Das ist auch noch so diese letzte Grenze bei mir im Moment. Auch wenn das eigentlich nur ein Erwidern ist. Ich mag die Kinder natürlich, aber da hab ich noch ein Stückchen Scheu dann trotzdem davor. Das ist noch so der letzte Punkt an der Stelle, der für mich eigenartig ist. Dann kommen Eltern und zack kriegst du einen Kuss auf die Backe von den Kindern. Und ich so: „Hey, was mach ich denn da jetzt? Darf ich oder darf ich nicht?“ Oder manchmal macht man’s einfach. Oder manchmal auf den Kopf, da geht’s ja auch mal.“ (Erzieher)

Kritikkultur im Team

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass es im Team eine Kritikkultur geben muss, in der Grenzverletzungen von Kindern und Verstöße gegen ausgehandelte Regeln angesprochen werden und nicht falsch verstandene Loyalität, Freundschaft oder Angst, den anderen zu verärgern, wichtiger sind als die Rechte der Kinder und die ausgehandelten Regeln im Umgang mit ihnen.